So sieht ein Strafverfahren aus

Strafverfahren

Verfahrensbeteiligte

Strafverfolgungsbehörden

Polizei

Die Polizei ermittelt Straftaten; sie untersteht der Aufsicht und den Weisungen der Staatsanwaltschaft (Art. 15 Abs. 2 StPO).

Bundesamt für Polizei
Kantonspolizei Zürich
Stadtpolizei Zürich
Kommunale Polizeikorps des Kantons Zürich

Staatsanwaltschaft

Die Staatsanwaltschaft leitet das Vorverfahren, verfolgt Straftaten und erhebt gegebenenfalls Anklage (Art. 16 StPO).

Bundesanwaltschaft
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich
Staatsanwaltschaften des Kantons Zürich
Jugendanwaltschaften des Kantons Zürich

Verwaltungsbehörden

Für die Verfolgung bestimmter Übertretungen sind andere Behörden als Polizei und Staatsanwaltschaft zuständig (Art. 17 Abs. 1 StPO).

Auf Kantons- oder Gemeindeebene können dies Statthalterämter, Bezirksratskanzleien oder das Stadtrichteramt sein.

Statthalterämter und Bezirksratskanzleien
Stadtrichteramt

Weit gehende Strafkompetenzen können auf Bundesebene gefunden werden. Grundlage hierfür bilden diverse Bundesgesetze.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung verfolgt SteuerhinterzieherInnen selbst und kann Bussenbeträge bis zum Dreifachen der hinterzogenen Steuer festlegen (Art. 61 VStG).

Eidgenössische Steuerverwaltung, Abteilung Strafsachen und Untersuchungen

Zollwiderhandlungen werden durch das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit geahndet, welches insbesondere für Zollhinterziehungen Bussen bis zum Fünffachen des hinterzogenen Zollabgabenbetrags und in Ausnahmefällen sogar noch höher ausfällen kann. Wurden beispielsweise Zollabgaben von CHF 500'000 hinterzogen, kann das Bundesamt eine Busse von bis zu CHF 2'500'000 oder noch höher verfügen.

Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit

Gerichte

Bezirksgerichte

In erster Instanz sind grundsätzlich die Strafgerichte des Bezirkes am Tatort zuständig (Art. 31 ff. StPO).

Bezirksgerichte des Kantons Zürich

Für bestimmte Delikte ist das Bundesstrafgericht als erste Instanz zuständig (Art. 23 f. StPO).

Bundesstrafgericht

Rechtsmittelinstanzen

Beschwerden gegen Verfügungen und Verfahrenshandlungen der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte sind im Kanton Zürich grundsätzlich an das Obergericht zu richten (Art. 393 StPO).

Obergericht

Das Bundesstrafgericht beurteilt als Rechtsmittelinstanz insbesondere Beschwerden in Bundesstrafsachen gegen Verfahrenshandlungen der Bundeskriminalpolizei und der Bundesanwaltschaft (Art. 37 StBOG).

Bundesstrafgericht

Die Beschwerde an das Bundesgericht als oberste Instanz ist zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen und des Bundesstrafgerichts (Art. 80 Abs. 2 StGB)

Bundesgericht

Parteien des Strafverfahrens

Beschuldigte Person

Beschuldigte Person ist, wer in einer Strafanzeige, einem Strafantrag oder von einer Strafbehörde in einer Verfahrenshandlung einer Straftat verdächtigt, beschuldigt oder angeklagt wird (Art. 111 Abs. 1 StPO).

Die beschuldigte Person ist berechtigt, jederzeit einen Verteidiger beizuziehen (Wahlverteidigung; Art. 129 Abs. 1 StPO).

Die beschuldigte Person muss anwaltlich vertreten sein (notwendige Verteidigung), wenn wenn (Art. 130 StPO)
a. die Untersuchungshaft mehr als 10 Tage gedauert hat;
b. ihr eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr, eine freiheitsentziehende Massnahme oder eine Landesverweisung droht;
c. sie oder ihre gesetzliche Vertretung wegen ihres körperlichen oder geistigen Zustandes oder aus anderen Gründen ihre Verfahrensinteressen nicht ausreichend wahren kann;
d. die Staatsanwaltschaft vor dem erstinstanzlichen Gericht oder dem Berufungsgericht persönlich auftritt;
e. ein abgekürztes Verfahren durchgeführt wird.

Die Verfahrensleitung ordnet eine amtliche Verteidigung an, wenn (Art. 132 Abs. 1 StPO)
a. bei notwendiger Verteidigung die beschuldigte Person keine Wahlverteidigung bestimmt oder;
b. die beschuldigte Person nicht über die erforderlichen Mittel verfügt und die Verteidigung zur Wahrung ihrer Interessen geboten ist.

Privatklägerschaft

Als Privatklägerschaft gilt die geschädigte Person, die ausdrücklich erklärt, sich am Strafverfahren als Straf- oder Zivilklägerin zu beteiligen (Art. 118 Abs. 1 StPO).

Andere Verfahrensbeteiligte

Geschädigte Person

Als geschädigte Person gilt die Person, die durch die Straftat in ihren Rechten unmittelbar verletzt worden ist (Art. 115 Abs. 1 StPO).

Anzeigeerstattende Person

Jede Person ist berechtigt, Straftaten anzuzeigen. Die Strafverfolgungsbehörde teilt der anzeigenden Person auf Anfrage mit, ob ein Strafverfahren eingeleitet und wie es erledigt wird (Art. 301 StPO).

Zeugin

Als Zeugin qualifiziert eine an der Begehung einer Straftat nicht beteiligte Person, die der Aufklärung dienende Aussagen machen kann und nicht Auskunftsperson ist (Art. 162 StPO).

Auskunftsperson

Als Auskunftsperson wird von den Behörden befragt, wer (Art. 178 StPO):
a. sich als Privatklägerschaft konstituiert hat;
b. zur Zeit der Einvernahme das 15. Altersjahr noch nicht zurückgelegt hat;
c. wegen eingeschränkter Urteilsfähigkeit nicht in der Lage ist, den Gegenstand der Einvernahme zu erfassen;
d. ohne selber beschuldigt zu sein, als Täterin, Täter, Teilnehmerin oder Teilnehmer der abzuklärenden Straftat oder einer anderen damit zusammenhängenden Straftat nicht ausgeschlossen werden kann;
e. als mitbeschuldigte Person zu einer ihr nicht selber zur Last gelegten Straftat zu befragen ist;
f. in einem andern Verfahren wegen einer Tat, die mit der abzuklärenden Straftat in Zusammenhang steht, beschuldigt ist;
g. in einem gegen ein Unternehmen gerichteten Strafverfahren als Vertreterin oder Vertreter des Unternehmens bezeichnet worden ist oder bezeichnet werden könnte, sowie ihre oder seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Sachverständige

Sachverständige werden als Gutachter beigezogen, wenn den Strafverfolgungsbehörden oder Gerichten das erforderliche Fachwissen oder die Fähigkeiten zur Erstellung oder Beurteilung des Sachverhalts fehlt (Art. 182).

Beschwerte Dritte

Durch Verfahrenshandlungen können auch Dritte tangiert werden. So etwa wenn bei einer Hausdurchsuchung Objekte beschlagnahmt werden, welche nicht der beschuldigten Person gehören. Dritte können unter Umständen Anspruch auf Schadenersatz und Genugtuung haben (Art. 434 StPO).

Angehörige

Angehörige des Opfers können möglicherweise eigene zivilrechtliche Ansprüche aus der Straftat als Privatklägerschaft im Strafverfahren geltend machen (Art. 122 Abs. 2 StPO).

Wird eine beschuldigte Person inhaftiert, werden die Angehörigen informiert (Art. 214 Abs. 1 und 2 StPO). Besuche der Inhaftierten sind mit Einwilligung der Verfahrensleitung grundsätzlich möglich.

Anlaufstelle "Extramural" für Angehörige von Inhaftierten

Verfahrensarten

Strafbefehlsverfahren

Hat die beschuldigte Person im Vorverfahren den Sachverhalt eingestanden oder ist dieser anderweitig ausreichend geklärt, so erlässt die Staatsanwaltschaft gemäss Art. 352 Abs. 1 StPO einen Strafbefehl, wenn sie eine der folgenden Strafen für ausreichend hält:
a. eine Busse;
b. eine Geldstrafe von höchstens 180 Tagessätzen;
c. ...
d. eine Freiheitsstrafe von höchstens 6 Monaten.

Abgekürztes Verfahren

Die beschuldigte Person kann die Durchführung des abgekürzten Verfahrens beantragen, wenn sie den Sachverhalt eingesteht und die Zivilansprüche im Grundsatz anerkennt. Das abgekürzte Verfahren ist aber ausgeschlossen, wenn die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verlangt (Art. 358 StPO).

Vergleich

Die Staatsanwaltschaft kann zu einer Verhandlung vorladen mit dem Ziel, einen Vergleich zwischen den Parteien zu erzielen und das Verfahren einzustellen (Art. 316 Abs. 1 StPO). Vergleiche kommen in der Praxis aber häufig ohne Unterstützung durch die Staatsanwaltschaft zustande.

Einstellung des Verfahrens

Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren nach Art. 319 Abs. 1 StPO insbesondere dann ein, wenn sich der Tatverdacht nicht erhärtet, kein Straftatbestand erfüllt ist, Rechtfertigungsgründe einen Straftatbestand unanwendbar machen, Prozessvoraussetzungen nicht erfüllt werden können oder Prozesshindernisse auftreten.

Ordentliches Verfahren

Kann das Verfahren nicht mittels Strafbefehl, abgekürztem Verfahren, Vergleich oder Einstellung abgeschlossen werden, erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage beim Strafgericht (Art. 324 Abs. 1 StPO).

Justizvollzug

Werden im Urteil eine Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Massnahmen angeordnet, richtet sich deren Vollzug nach Art. 97 ff. StGB und zudem kantonalen Regeln.

Schweizerisches Kompetenzzentrum für den Justizvollzug

Strafen und Massnahmen

Strafhöhe

Die Mehrheit der Straffälle kommen nicht vor Gericht, sondern werden von der Staatsanwaltschaft erledigt. Neben dem gesetzlich vorgegebenen Strafrahmen richten sich die Strafverfolgungsbehörden bei "Klein- und Massenkriminalität" im Kanton Zürich nach den Strafmassempfehlungen der Oberstaatsanwaltschaft.

Strafmassempfehlungen der Oberstaatsanwaltschaft

Bei Betäubungsmitteldelikten können aufgrund der klaren bundesgerichtlichen Vorgaben mit Hilfe von Strafzumessungsrechnern massgebliche Anhaltspunkte eruiert werden, welche Strafhöhen grundsätzlich in Frage kommen.

Strafzumessungsrechner von Bigler Kaufmann Wendling

Auch die Empfehlungen der Schweizerischen Staatsanwaltschaftskonferenz können als unverbindliche Anhaltspunkte für eine mögliche Strafhöhe beigezogen werden.

Empfehlungen der Schweizerischen Staatsanwaltschaftskonferenz

Landesverweisung

Das Gericht verweist Ausländer für 5–15 Jahre aus der Schweiz, wenn einer der in Art. 66a StGB umschriebenen Straftatbestände erfüllt ist. Darunter fallen unter anderem:

a. vorsätzliche Tötung (Art. 111), Mord (Art. 112), Totschlag (Art. 113), Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord (Art. 115), strafbarer Schwangerschaftsabbruch (Art. 118 Abs. 1 und 2);
b. schwere Körperverletzung (Art. 122), Verstümmelung weiblicher Genitalien (Art. 124 Abs. 1), Aussetzung (Art. 127), Gefährdung des Lebens (Art. 129), Angriff (Art. 134), Gewaltdarstellungen (Art. 135 Abs. 1 zweiter Satz);
c. qualifizierte Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 2), qualifizierter Diebstahl (Art. 139 Ziff. 3), Raub (Art. 140), gewerbsmässiger Betrug (Art. 146 Abs. 2), gewerbsmässiger betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage (Art. 147 Abs. 2), gewerbsmässiger Check- und Kreditkartenmissbrauch (Art. 148 Abs. 2), qualifizierte Erpressung (Art. 156 Ziff. 2–4), gewerbsmässiger Wucher (Art. 157 Ziff. 2), gewerbsmässige Hehlerei (Art. 160 Ziff. 2);
d. Diebstahl (Art. 139) in Verbindung mit Hausfriedensbruch (Art. 186);
e. Betrug (Art. 146 Abs. 1) im Bereich einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe, unrechtmässiger Bezug von Leistungen einer Sozialversicherung oder der Sozialhilfe (Art. 148a Abs. 1);
f. Betrug (Art. 146 Abs. 1), Leistungs- und Abgabebetrug (Art. 14 Abs. 1–3 des BG vom 22. März 1974 über das Verwaltungsstrafrecht) oder Steuerbetrug, Veruntreuung von Quellensteuern oder eine andere Straftat im Bereich der öffentlich-rechtlichen Abgaben, die mit einer Höchststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe oder mehr bedroht ist;
g. Zwangsheirat, erzwungene eingetragene Partnerschaft (Art. 181a), Menschenhandel (Art. 182), Freiheitsberaubung und Entführung (Art. 183), qualifizierte Freiheitsberaubung und Entführung (Art. 184), Geiselnahme (Art. 185);
h. sexuelle Handlungen mit Kindern (Art. 187 Ziff. 1), sexuelle Nötigung (Art. 189), Vergewaltigung (Art. 190), Schändung (Art. 191), Förderung der Prostitution (Art. 195), Pornografie (Art. 197 Abs. 4 zweiter Satz);
i. Brandstiftung (Art. 221 Abs. 1 und 2), vorsätzliche Verursachung einer Explosion (Art. 223 Ziff. 1 Abs. 1), Gefährdung durch Sprengstoffe und giftige Gase in verbrecherischer Absicht (Art. 224 Abs. 1), vorsätzliche Gefährdung ohne verbrecherische Absicht (Art. 225 Abs. 1), Herstellen, Verbergen, Weiterschaffen von Sprengstoffen und giftigen Gasen (Art. 226), Gefährdung durch Kernenergie, Radioaktivität und ionisierende Strahlen (Art. 226bis), strafbare Vorbereitungshandlungen (Art. 226ter), vorsätzliches Verursachen einer Überschwemmung oder eines Einsturzes (Art. 227 Ziff. 1 Abs. 1), vorsätzliche Beschädigung von elektrischen Anlagen, Wasserbauten und Schutzvorrichtungen (Art. 228 Ziff. 1 Abs. 1), Gefährdung durch Verletzung der Regeln der Baukunde (Art. 229 Abs. 1), Beseitigung oder Nichtanbringung von Sicherheitsvorrichtungen (Art. 230 Ziff. 1);
j. - n. ...
o. Widerhandlung gegen Artikel 19 Absatz 2 oder 20 Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes vom 3. Oktober 1951 (BetmG);
p. Widerhandlung nach Artikel 74 Absatz 4 des Nachrichtendienstgesetzes vom 25. September 2015 (NDG).

Das Gericht kann ausnahmsweise von einer Landesverweisung absehen, wenn diese für den Ausländer einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 StGB).

Von einer Landesverweisung kann ferner abgesehen werden, wenn die Tat in entschuldbarer Notwehr (Art. 16 Abs. 1) oder in entschuldbarem Notstand (Art. 18 Abs. 1) begangen wurde (Art. 66a Abs. 3 StGB).

Kontakt